Fach(un)vermögen

Immobilien nennt man Immobilien, weil sie immobil, also nicht beweglich sind. Dennoch werden sie zuweilen hin und her geschoben. Sagt man jedenfalls. „Das Grundstück ist auf XY übergegangen“, heißt es dann. Und nur der ganz aufmerksame Beobachter reibt sich nach einem solchen Satz die Augen und stellt verwundert fest: Das Grundstück samt des auf ihm errichteten Gebäudes ist nirgendwohin gegangen – es befindet sich noch immer am selben Platz. Wie das? Weil natürlich nur der Besitzer des Grundstückes gewechselt hat.

Wem das jetzt schon zu verworren erscheint: Es geht noch komplizierter. Nämlich dann, wenn es sich um kommunalen, das heißt, bezirklichen Besitz handelt. Da wechselt dann nicht mal mehr der Besitzer, sondern bloß noch die Zuständigkeit für den Besitz. „Fachvermögen“ heißt der terminus technicus dann – und wehe, das Vermögen steckt im vermeintlich falschen Fach!

Diese Erfahrung musste Marie Lorbeer, die Geschäftsführerin des MACHmit! Museums in der Senefelderstraße machen, als sie kürzlich im BVV-Ausschuss für Kultur und Bildung vorsprach, in dem über der vom Bezirksamt vorgesehenen Räumung der im Eliashof befindlichen Büroräume des von ihr geleiteten Museums beraten werden sollte. Michael van der Meer, Ausschussmitlied und Chef der Fraktion DIE LINKE, fand offenbar, dass die Sache in jenem Ausschuss fehl am Platze sei. „Herr van der Meer“, berichtet Marie Lorbeer, „meinte, dass der Kulturausschuss gar nicht zuständig wäre, schließlich wurde der Eliashof wieder zu einer Schule umgewidmet.“

Na klar: Als der der Eliashof noch offizieller Kulturstandort war, gehörte er zum Fachvermögen Kultur, nun zum Fachvermögen Gesundheit, Soziales, Schule… nein! – obwohl wieder Schulstandort, dennoch zum Kulturfachvermögen; die Angelegenheiten des Museums können aber wohl nur innerhalb des Fachvermögens Jugend und Immobilien eine Beachtung finden… .
Dass ein Museum möglicherweise trotzdem eine Kultureinrichtung sein könnte, fiel zumindest anderen Bezirks-
verordneten auf, so dass Marie Lorbeer nicht gleich wieder auf dem Absatz kehrt machen musste. Greifbare Ergebnisse brachte die Vorsprache aber nicht.

Das MACHmit! Museum ist einzigartig – Im Kiez, im Bezirk, in Berlin. Ein Museum für Kinder. Ein Ort, an dem nicht nur etwas gezeigt wird, sondern wo das, was zu sehen ist, auch selbst erfahren werden kann.
Wenn bei der gerade zu Ende gegangenen Ausstellung „Papier“ das Thema war, dann waren eben nicht nur Schautafeln und Ausstellungsstücke zu sehen, überall war die Möglichkeit gegeben, dass Gesehene anzufassen, auszuprobieren. Einen Bogen Papier herstellen? – Klar doch! Spannend, so eine Sache mal selbst zu machen – und dann noch in der Pampe manschen zu können… . Spielen und lernen mit allen Sinnen.

Und all die ständigen Exponate: Der alte Seifenladen, die Druckerei (in der man natürlich selbst was drucken kann), das Café, die Möglichkeiten zum Herumtollen. 50.000 Besucher kommen im Jahr hierher, es ist ein Kleinod, auf das sich jede Stadt etwas einbilden würde. Im Bezirk Berlin-Pankow allerdings…
Die Querelen, die mit der (Rück-)Umwidmung des Eliashofes in ein Schulgrundstück und die damit verbundenen Versuche, die dort angesiedelten Kulturangebote irgendwie – und die Betonung liegt auf „irgendwie“ – anders unterzubringen, füllen mittlerweile Bände. Und Marie Lorbeer ist im Vergleich zu den anderen Betroffenen des

Eliashofes eigentlich noch recht gut dran. Gehört das Museum doch nicht zum bezirklichen „Fachvermögen“, sondern hat sein Domizil in dem von der evangelischen Kirche in Erbpacht übernommenen Gebäude der Eliaskirche. Doch sieben Projekt- und Büroräume befinden sich nebenan – dort, wo mit dem erwarteten Wachsen der Schülerzahl der nun wieder eingerichteten Schule in absehbarer Zeit Unterricht erteilt werden soll. Die Kündigung durch das Bezirksamt ist bereits erfolgt, zum 30.Juni 2011 sollen die Räume übergeben werden. Aber wohin dann mit den Büros? Und den Projekträumen? Während die anderen Kulturvereine wie Prenzlkasper oder Murkelbühne ihre Spielstätten bei einem Umzug mitnehmen, ist das Museum ja an den Ort gebunden.

Marie Lorbeer: „Wir sind da in einer völlig anderen Situation. Wir können hier nicht weg. Ich kann Büros und Lager nicht vom Museum trennen. Das funktioniert nicht.“
Was sie allerdings mit den anderen Betroffenen gemein hat, ist die Ungewissheit um die Zukunft ihrer Einrichtung – Ergebnis einer völlig orientierungslos erscheinenden Bezirkspolitik, die erst Entscheidungen trifft – und danach versucht, sich irgendwie durchzuwurschteln. Wenn überhaupt. Denn nach einem völlig untauglichen Vorschlag der Immobilien- und Jugendstadträtin Christine Keil vom Januar 2010, in eine baufällige Kapelle auf dem Gelände des Bezirksamtes in der Fröbelstraße umzuziehen (Sanierungskosten mindestens 450.000 Euro), kam erst mal nichts mehr. Nun, wo es langsam eng wird, musste die Stadträtin zu einem zeitnahen Geprächstermin geradezu gedrängt werden. Die Hoffnung auf ein greifbares Ergebnis bei dem Termin am 19. Januar hält sich jedoch in engen Grenzen.

Eine Hoffnung besteht darin, dass bisher als Lager genutzte Kellerräume zu Unterrichtsäumen für die Musik-
schule ausgebaut werden – die so zusätzlich geschaffene Raumkapzität käme dann dem Museum zugute. Dazu müsste der nach wie vor für den Eliashof zuständige Kulturstadtrat Michail Nelken allerdings zusätzlich eine höhere fünfstellige Summe in die Hand nehmen.
Sollte sich keine Lösung finden, wird Marie Lorbeer ihrer Belegschaft im März die Kündigung ausprechen müssen. Zehn festangestellte und um die fünfzig freie Mitarbeiter wären dann beschäftigungslos. Und der Kiez, der Bezirk und die Stadt um ein so wichtiges Stück Kultur ärmer.

 

 

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